Lena Seauve: 'Impossible fictions' und die Emotionalisierung der Lesenden
Termin |
Dienstag, 30. Mai 2023, 14.15 - 15.45 Uhr |
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Veranstaltungsart | Vorlesung/Vortrag |
Reihe | Seminar: Täterschaft in Literatur und Film |
Einrichtung | Philosophische Fakultät II |
Veranstalter | Institut für Romanistik |
Veranstaltungsort | Hörsaal F des Melanchthonianum (Universitätsplatz) |
Straße | Universitätsplatz 9 |
PLZ/Ort | 06108 Halle (Saale) |
Beschreibung
Im Rahmen des Seminars "Täterschaft in Literatur und Film" hält Dr. Lena Seauve (Freie Universität Berlin) einen Gastvortrag zu dem Thema: 'Impossible fictions' und die Emotionalisierung der Lesenden.
Fiktionale Texte aus Täterperspektive stellen für Leser*innen eine emotionale Herausforderung dar: Wir identifizieren uns in der Regel mit homo- oder autodiegetischen Erzähler*innen. Wenn diese jedoch als Gewalttäter im Namen illegitimer Regime auftreten oder die Gewalt solcher Regimes gutheißen, wird die Position der Lesenden ethisch problematisch. Dieses Problem stellt sich weniger, wenn es sich bei den Erzähler*innen um Täterfiguren handelt, die als ausnahmslos unmenschlich dargestellt werden, als bei Figuren, die eine ambivalente Haltung gegenüber illegitimer Gewalt einnehmen, etwa als Bystander.
In Martin Kohans Roman Dos Veces Junio (2002) wird der homodiegetische Erzähler, Rekrut und Chauffeur eines Militärarztes während der Diktatur in Argentinien, mit einer unmenschlichen Frage konfrontiert: Eine junge Regimegegnerin bringt in der Haft ein Kind zur Welt, und die Verantwortlichen diskutieren darüber, ab welchem Alter ein Kind gefoltert werden kann, um die Mutter zur Aussage zu zwingen. Der Vortrag analysiert narrative Strategien, die gezielt die Ambivalenz (mit)schuldiger Erzähler*innen instrumentalisieren, um Lesende auf eine bestimmte Weise zu emotionalisieren.